Der Altstadter Zollbahnhof oder:
Wenn Behörden sich mausetot stellen
Besonders bei Ostwind liegen beständig Staubschwaden über den Altstadter Wohngebieten, und der Lärm, der von Maschinen und unzähligen Sattelschleppern ausgeht, dröhnt unaufhörlich selbst in die Wohnzimmer hinein. Seit auf dem Gelände des früheren Zollbahnhofes in großem Stil industrielle Aktivitäten zu Gange sind, ist die Lebensqualität in dem Kirkeler Ortsteil erheblich beeinträchtigt. Unter normalen Umständen wäre der seit nunmehr drei Jahren ansässige Industriebetrieb aber auch undenkbar, aber weil vor bald 90 Jahren hier einmal Bahngelände war, greifen die üblichen Kontroll- und Genehmigungsmechanismen nicht und sind die einschlägigen Gesetze außer Kraft. Alles, was auch nur im Entferntesten mit Eisenbahn zu tun hat, entzieht sich auf diesem Areal der Überwachung beispielsweise von Umwelt- und Gewerbeaufsichtsbehörden. Die Bahn kontrolliert und genehmigt sich selbst ebenso wie die Unternehmen, die in ihrem Auftrag arbeiten. Dass damit der Bock zum Gärtner gemacht ist, bekommen die Bewohner von Altstadt tagtäglich am eigenen Leib zu spüren. Dabei sind sie doch schon längst gebrannte Kinder: Die Verseuchung ihres Grundwassers im Bereich des Wasserwerks an der Kaiserstraße seit zwei Jahrzehnten war auch nur unter diesen unglaublichen Vorzeichen möglich.
Aber auch der Gemeinderat scheint auf den ersten Blick machtlos. Zwar wurden
nach jahrelangem Ringen die besondere ökologische Bedeutung des Zollbahnhofes
quasi offiziell anerkannt - die Einstufung als „Vorranggebiet für
Naturschutz“ im Landesentwicklungsplan „Umwelt“ des Saarlandes
sowie die Kategorie „Pflegezone“ innerhalb des anvisierten Biosphärenreservates
Bliesgau dokumentieren dies. Dass bundesweit vom Aussterben bedrohte Tier-
und Pflanzenarten auf diesem Areal in seltener Arten- und Populationsdichte
vorkamen - nicht von Ungefähr pilgerten Wissenschaftler unterschiedlicher
Disziplinen stetig zu diesem Gelände - interessierte letztendlich nicht
die Bohne. Mit Mauereidechse, Orpheusspötter, Nachtigall, Wendehals,
Schwarzmilan und den flächenmäßig größten Sandrasenfluren
des Saarlandes wurde Tabula Rasa gemacht. Das saarländische Umweltministerium
stellte sich bei der Ansiedlung wie beim Betrieb der Entsorgungsbetriebe in
Altstadt de facto tot und leistete bislang keinerlei Hilfestellung. Angesichts
der Tatsache, dass in den 1980er Jahren das Saarberg-Projekt einer Kohlehalde
an ökologischen Bedenken gescheitert war und die Bahn selbst schwerste
Zweifel hatte, ob sie ihre ursprünglich geplante, neue ICE-Trasse durch
ein derart sensibles Gebiet zu führen sollte, erscheint die nun realisierte
industrielle Nutzung besonders fragwürdig. Wieso gibt die Bahn ein wissenschaftliches
Gutachten in Auftrag, um die Wertigkeit des Geländes festzustellen und
mögliche Ausgleichsmaßnahmen zu formulieren, wenn nun ohne jedwede
Rücksicht auf Mensch und Umwelt die Zerstörung stattfindet?
Auf derlei Fragen der Umweltverbände und der Grünen gab es bislang
keine Antwort, noch nicht einmal eine Reaktion seitens der Behörden.
Auch wenn es wie ein Quichottenkampf gegen Windmühlen vorkommen mag,
so sollte die Gemeinde Kirkel nicht tatenlos zuschauen, wie die Interessen
ihrer Bewohner verraten und verkauft werden. Die Fraktion der Grünen
im Gemeinderat hat deswegen folgenden Antrag in Sachen Zollbahnhof eingebracht:
Guten Tag, Herr Bürgermeister Hochlenert,
die Fraktion der Grünen im Gemeinderat Kirkel stellt den Antrag, nachfolgenden Tagesordnungspunkt in der nächsten Sitzung des Gemeinderates zur Diskussion und Beschlussfassung zu bringen:
Die Gemeinde Kirkel beauftragt einen Rechtsanwalt, ihre Interessen hinsichtlich des „Zollbahnhofes“ auf der Gemarkung Altstadt zu vertreten.
Begründung:
Die Ansiedlung und Aktivitäten der Firma „BahnLog“ im Bereich
des „Zollbahnhofes“ widersprechen den Interessen und Planungen
der Gemeinde Kirkel diametral und in nicht verantwortbarer Weise. Bei dem
Gelände handelt sich unter anderem um ein „Vorranggebiet für
Naturschutz“ (Landesentwicklungsplan Umwelt) und eine „Pflegezone“
der Biosphäre Bliesgau. Diese Zielvorgaben sind mit der aktuellen industriellen
Nutzung nicht vereinbar. Primäres Ziel der Gemeinde Kirkel ist es, der
Bedeutung, die dem betreffenden Areal im Biotop- und Artenschutz zukommt und
beispielsweise die durch die zitierten Festlegungen zugestanden wird, Geltung
zu verschaffen. Dies ist nur durch die Einstellung der industriellen Nutzung
zu erreichen. Andererseits erscheint es unabdingbar, dass die derzeitige industrielle
Nutzung den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen unterworfen wird
bzw. deren Einhaltung permanenter Kontrolle unterliegt, um weitere Schäden
abzuwenden.
Die Mittel dafür sind im Haushalt 2008 bereitzustellen.
Freundliche Grüße
Martin Baus
Fraktionssprecher